Schwedische Säckpipa

Eine Einführung, © Thorsten Stoye, 1999

Die schwedische Säckpipa, häufig nach Ihrem Herkunftsland "Dalasäckpipa" oder vereinfacht nur "Säckpipa" genannt, wird meist in den Tonarten "a" oder "g" gebaut, wobei "a" die bei weitem gebräuchlichste Tonart ist (bei allen unten erwähnten Tonartenbezeichungen beziehe ich mich auf das "a"-Instrument!). Entgegen der sonst in Europa üblichen Bezeichnungen bezieht sich diese Tonart nicht gleichzeitig auch auf den Grundton, den Bordun des Instruments, denn dieser erklingt im Quint zur Tonart, also in "e". Die Säckpipa eignet sich vor allem als mäßig lautes Soloinstrument, im Zusammenspiel mit anderen Dalasäckpipor oder begleitet von einer Geige.

Die Säckpipa hat einen Tonumfang von einer Oktave plus einem Leitton, der einen Halb- oder Ganzton unter dem Grundton liegt. Das Leitton-Fingerloch war ursprünglich lediglich ein Loch zum Stimmen des Grundtons und saß meist seitlich oder rückwärtig an der Spielpfeife. Erst bei modernen Rekonstruktionen (u.A. von Alban Faust) wird es als Griffloch zur Erweiterung des Tonumfangs genutzt. Der Leitton kann durch ein weiteres Stimmloch reguliert werden, oft wird er aber durch "Teildackung" der Spielpfeife gestimmt. Hierzu wird ein ca. linsengroßes Stück Bienenwachs an die Kante des Bohrungsendes gedrückt. Durch Verformung des Wachsklumpens kann der Leitton auf den gewünschten Ton ("d" oder "es") gestimmt werden. Traditionell weicht die Grundstimmung von den für uns "gewohnt klingenden" Tonarten etwas ab. Die Reine A Stimmung ist anzustreben. Mehr zur Stimmung des Instruments weiter unten.

Man könnte sagen, daß die traditionelle Tonart der Dalasäckpipa eine aufsteigende melodische a-Moll Tonleiter ist (nicht der äolische Modus, der einer natürliche Molltonleiter entspricht), beginnend auf dem 4. Ton der Spielpfeife (Leitton nicht mitgezählt) – die Halbtöne liegen zwischen dem 3. und 4. Ton und dem 5. und 6. Ton der Spielpfeife. Auf den Ton "a" bezogen liegen die Halbtöne zwischen dem 2. und 3. und dem 7. und 8. Ton der Tonleiter *). Im Sprachgebrauch wird diese Tonart aber oft einfach "Schwedisch A" genannt. In heutigen Rekonstruktionen ist dieser Tonumfang meist um ein oder zwei Töne erweitert:

Für die Griffweise hat sich heutzutage die "offene" und die "halbgeschlossene" Griffweise etabliert. Da Gabelgriffe aufgrund der recht großen Innenbohrung und tiefen Fingermulden fast wirkungslos sind, erübrigt sich die barocke Blockflötengriffweise. Die besten musikalischen Möglichkeiten birgt die "halbgeschlossene" Griffweise mit dem zweiten Daumenloch, da mit ihr einige Verziertechniken (Vibrato und "Grace Notes") überzeugend gespielt werden können. Darüberhinaus ist die halbgeschlossene Säckpipa ein gutes "Stuben"-Übungsinstrument für die erheblich lauteren Schäferpfeifen und französischen Cornemuses.

Die Säckpipa ist heutzutage meist mit Aufschlagzungen-Rohrblättern aus Arundo Donax (ein im Mittelmeerraum wachsendes Schilf) ausgestattet. Obwohl diese Rohre schon erheblich unempfindlicher gegen Feuchtigkeitsschwankungen sind als die traditionellen Rohre aus dem heimischen Phragmitis Australis, reagieren sie doch wesentlich auf Wetter- oder Ortswechsel. Von Zeit zu Zeit ist ein Nachstimmen der Spielpfeifenlöcher mit Bienenwachs daher unerläßlich. Hierbei ist vor allem darauf zu achten, daß das Instrument "rein" gestimmt wird. Es ist also auf keinen Fall ein herkömmliches Gitarrenstimmgerät zum Stimmen der Töne zu verwenden, da dieses von gleichstufig temperierter Stimmung ausgeht! Stimmgeräte für reine Stimmung sind auf dem Markt, aber leider sehr teuer. Meiner Meinung nach stimmt sich die Säckpipa am besten "nach Ohr". Hierzu gehe ich folgendermaßen vor:

  1. die Grundstimmung wird nach einem anderen Instrument (oder nach Stimmgerät) für das "a" eingestellt **). Hierzu sollte eventuell vorhandenes Wachs aus dem "a"-Loch entfernt werden und dieStimmung nur durch Vergrößern (Tonhöhe sinkt) oder Verkleinern (Tonhöhe steigt) des Wachsklumpens auf der Rohrblattzunge reguliert werden.
  2. der Bordun wird durch Verschieben des beweglichen Rohrstücks zum "a" der Spielpfeife auf "e" gestimmt. Die Schwebungen müssen vollständig verschwinden, damit der entstehende Quart (Frequenzverhältnis 4:3) "reingestimmt" ist.
  3. das "e" des Spielpfeifengrundtons wird zum Bordun gestimmt, die Töne müssen völlig identisch werden. Dies ist der schwierigste Punkt beim Stimmen der Spielpfeife:
    1. ist der Grundton der Spielpfeife zu hoch, so muß das Rohrblatt verändert werden. Eine weit aufgebogene Zunge wird ein wenig auf den Rohrkörper gedrückt und mit Feuer vorsichtig fixiert oder die Zungenwicklung wird so verschoben, daß die schwingende Zungenlänge größer wird. Dieser Eingriff spreizt die Tonloch-Intervalle (das "e" entfernt sich vom "a"), verändert aber gleichzeitig die Grundstimmung nach unten (Zungenverlängerung) oder oben (Andrücken der Zunge). Das "a" muß daher, wie in Schritt 1 beschrieben, durch Verändern oder Verschieben des Wachsklumpens auf der Rohrblattzunge wieder angehoben werden.
    2. ist der Grundton der Spielpfeife zu tief und kein Wachs im letzten Fingerloch, so ist entgegengesetzt zu a) vorzugehen: die Zungenlänge wird durch Verschieben der Wicklung verkürzt und/oder die Zunge wird aufgebogen und mit Feuer vorsichtig fixiert. Manch einer hilft sich mit einem feinen Haar, das unter die Zungenwurzel geschoben wird (traditionell ein Barthaar!). Dieser Eingriff komprimiert die Tonloch-Intervalle (das "e" rückt näher an das "a"), und verändert gleichzeitig die Grundstimmung nach unten (beim Aufbiegen) oder oben (Zungenverkürzung). Die Grundstimmung (das "a") wird anschließend durch Hinzufügen, Entfernen oder Verschieben des Wachs auf der Rohrblattzunge wieder eingestellt.

  4. wenn die Töne "a" und "e" schließlich in Grundstimmung und zum Bordun rein gestimmt sind, werden zunächst die anderen "konsonanten" Intervalle (ohne Schwebung) überprüft und eventuell mit Wachs nachgestimmt. Hierzu wird das Wachs zu einer kleinen Raupe gedreht und an die dem Rohrblatt zugewandte Lochkante gelegt. Anschließend wird das Wachs mit dem Finger "an die Lochwand und in das Loch" gewischt. Zuerst wird so der Quint zum Bordun gestimmt ("h", Frequenzverhältnis 3:2), dann die Oktave ("e" , Frequenzverhältnis 2:1) und schließlich die schwer zu beurteilendenden Intervalle große und kleine Terz ("g#", Frequenzverhältnis 5:4 und "g", Frequenzverhältnis 6:5) und die große und kleine Sexte ("c", Frequenzverhältnis 8:5 und "c#", Frequenzverhältnis 5:3). Zuletzt werden die verbleibenden, stark schwebenden Intervalle gestimmt (ich mache hierzu meist den Bordun aus), mehr nach Gefühl als nach Ohr. Es hilft beim Stimmen dieser Töne, wenn man zwischendurch einfache Melodien spielt. Hierbei fällt am ehesten auf, wenn ein Ton "aus der Stimmung" fällt.

Mir bekannte Hersteller der Dalasäckpipa sind Leif Eriksson, Alban Faust, Börs Anders Öhman und Bengt Sundberg.

Fußnoten:
*) Bei der natürlichen Molltonleiter liegen die Halbtöne zwischen dem 2. und 3. und dem 5. und 6. Ton der Tonleiter.
**) ich stimme oft den Quint zum Grundton „e“ zuerst, und nicht den Quart. Ich beziehe mich also auf das „h“ anstelle des „a“, da dann der Intervall zum Spielpfeifengrundton größer ist und somit die Justierung des Rohrblattes nach Schritt 3 genauer und einfacher wird.