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Die Sackpfeife in Deutschland, Teil 2

Renaissance Schäferpfeife

Die links dargestellte "Schaper Pfeiff" stammt wie viele andere der hier gezeigten Bilder aus den berühmten Abbildungen von Michael Praetorius im Bildtafelwerk (1620) zum zweiten Band seines "Syntagma musicum" von 1618, dem "De organographia":

"Theatrum Instrumentorum seu Sciagraphia Michael Praetorii C. Darinnen Eigentliche Abriß und Abconterfeyung / fast aller derer Musicalischen Instrumenten, so itziger zeit in Welschland / Engeland / Teutschland und anderen Ortern ublich und vorhanden seyn (...) / recht und just nach dem Maßstabe abgerissen und abgetheilet"

Das Syntagma Musicum gilt neben der "Harmoni Universelle" (1637) von Martin Mersenne zu den bedeutendsten Quellen für historische Sackpfeifen. Viele heutige Sackpfeifenmacher fertigen ihre historischen Rekonstruktionen in enger Anlehnung an diese Abbildungen und Beschreibungen. Bei diesem Instrument teilen sich die Musikhistoriker jedoch in zwei Lager: die einen meinen, die Spielpfeife sei konisch und mit Doppelrohrblatt versehen, die anderen jedoch behaupten, sie sei zylindrisch und mit Aufschlagzunge versehen gewesen (!). Streng nach Praetorius' Beschreibung müsste die Spielpfeife tatsächlich zylindrisch gebohrt gewesen sein, die von Praetorius genannte Stimmung läßt eigentlich kaum einen anderen Schluß zu:

Das von Praetorius dargestellte Instrument hatte zwei im Quintabstand gestimmte Brummer aller höchster Wahrscheinlichkeit nach mit Aufschlagzungen. Der hohe Bordun hat etwa die Länge der Spielpfeife. Da Praetorius angibt, daß sowohl der Grundton der Spielpfeife als auch der hohe Bordun in f' gestimmt seien (siehe seine nebenstehende Tabelle), muß die Spielpfeife eigentlich zylindrisch gebohrt gewesen sein. Wäre die Spielpfeife konisch gebohrt gewesen, so hätte sie eine Oktave höher klingen müssen. Praetorius gibt als tiefsten Ton des Instruments e' an, der Tonumfang war also, wie auch bei vielen modernen Sackpfeifen üblich, um einen halben Ton nach unten verschoben. Der Baßbrummer hat ungefähr die 1,5-fache Länge, er klang einen Quint tiefer, d.h. in b. Der höchste Ton der Spielpfeife war laut Praetorius f''. Sie ließ sich also nicht überblasen, was ein weiterer Hinweis auf ihre zylindrische Bohrung ist, auch wenn es auf dem Bild für mich total anders aussieht. Möglicherweise war allerdings die Technik des Überblasens bei Sackpfeifen nicht allgemein üblich oder Praetorius nicht bekannt.

Aber: zwischen der Veröffentlichung der Organographia und der Herausgabe der dazugehörigen Bildtafeln hat Praetorius zwei ganze Jahre verstreichen lassen. Es könnte daher gut möglich sein, daß die Bildtafeln in Details nicht zur Beschreibung passen. Ich persönlich bin davon überzeugt, daß Praetorius hier ein solcher Fehler unterlaufen ist, und daß die abgebildete Schaper Pfeiff tatsächlich eine konische Doppelrohrblatt-Spielpfeife hatte, wie ihre äußeren Abmessungen es auch vermuten lassen.

Praetorius schreibt wörtlich:

2. Schaperpfeiff; Hat 2. Röhren zum stimmen / b f'. Und sind die Schaper / oder Schäfferpfeiffern in den obern Löchern meiste theils falsch: welchs meines erachtens / daher kömt / dieweil sie hinten kein Loch zum Daumen haben. Die andern aber / als Bock / Hümmelchen / Dudey / haben hinden ein Loch / dadurch sie besser gezwungen / un zu reiner intonation gebrachtwerden können."

Die rechts dargestellte Sackpfeife stammt aus dem Werk "Musica instrumentalis deudsch" von Martin Agricola (Wittenberg 1529): "Musica instrumentalis deudsch ynn welcher begriffen ist, wie man nach dem gesange auff mancherley Pfeifen lernen sol...". Zur abgebildeten Sackpfeife schreibt Martin Agricola:

"Auff Sackpfeiffen kan mans nicht fürn. Das müssens die finger regirn."

Auf diese Bemerkung beschränkt Martin Agricola seine Beschreibung der dargestellten Sackpfeife. Keine Maßangaben oder Angaben zur Stimmung, einzig der Hinweis, daß auf der Sackpfeife akzentuiertes Spielen nur mit entsprechender Fingerführung möglich ist, reichen ihm als Beschreibung des Instruments.

Längenverhältnisse und Bohrungsarten sind denen der fast hundert Jahre jüngeren Darstellung von Praetorius sehr ähnlich. Allerdings scheinen die Brummer nicht wie bei Praetorius' Schaper Pfeiff in einer gemeinsamen Tülle zu stecken, sondern jeweils mit einer eigenen Tülle am Sack befestigt gewesen zu sein.

Unten ist eine dritte Sackpfeife dieses Typs dargestellt. Der Holzschnitt stammt von Urs Graf und ist in Sebastian Virdungs Werk "Musica getutscht und ausgezogen" (1511) abgebildet.

Der zylindrische Baßbrummer ist bei diesem Instrument etwa doppelt so lang, wie die höchstwahrscheinlich konische Spielpfeife, er wird daher vermutlich zwei Oktaven unter dem tiefsten Ton der Spielpfeife geklungen haben. Der zweite Bordun war wohl einen Quint darüber gestimmt. Anhand der in allen drei Abbildungen (vermutlich) vorliegenden konischen Spielpfeife ist das Doppelrohrblatt zu vermuten, die zylindrischen Bordune haben sicherlich Aufschlagzungen; Doppelrohrblätter können hier zwar nicht ganz ausgeschlossen werden, sind aber höchst unwahrscheinlich.

 Bei heutige Rekonstruktionen des Instruments ist die Spielpfeife in den meisten Fällen konisch gebohrt und mit einem Doppelrohrblatt versehen. Hierdurch läßt sich der Tonumfang durch Überblasen nach oben erweitern (was bei zylindrischen Spielpfeifen nicht funktioniert) und das Instrument ist erheblich lauter. Die Bordunpfeifen sind bei allen mir bekannten Rekonstruktionen mit Aufschlagzungen versehen.

Auf dem nebenstehenden Photo ist das Instrument des Early Music Shop abgebildet. Es handelt sich um eine optisch an Praetorius "Schaper Pfeiff" angelehnte Konstruktion, die sowohl als fertiges Instrument, als auch als Bausatz erhältlich ist. Leider sind die Bordune nicht, wie bei Schäferpfeifen sonst üblich, nach vorn gerichtet, sondern ruhen auf der linken Schulter. Das Instrument ist mit seinen GHP "Hardy" Rohrblättern etwas störrisch. Es greift sich in einer den schottischen Highland-Pipes ähnlichen Griffweise und ist in f' gestimmt (Bordune in C und F). Die Spielpfeife ist nach unten um es (wie bei Highland Pipes um einen Ganzton), nicht um e erweitert).

Renaissance-Schäferpfeifen in g- oder f-Stimmung (Spielpfeife mit Doppelrohrblatt) werden u.a. gebaut von: Andreas Rogge, Michael Hofmann, Friedrich Schlüter, Bodo Schulz, Alban Faust, The Early Music Shop


Schäferpfeife in hoher Stimmlage

Ein etwas kleineres Modell der Schäferpfeife findet sich ebenfalls in zahlreichen Abbildungen, so z.B. in dieser Elfenbeinschnitzerei von Christof Angermair am Münzschrein der Elisabeth von Lothringen von 1618 [5]. Auch in anderen Quellen ist eine sehr hoch klingende Schäferpfeife beschrieben, daher möchte ich diesem Instrument hier einen eigenen Abschnitt widmen.

Auf dem Photo rechts ist meine Schäferpfeife in hoher c-Stimmung von Michael Hofmann zu sehen. Die Spielpfeife ist mit einem Kunststoff- Doppelrohrblatt, die beiden oktaviert in c (umstimmbar auf d) gestimmten Bordune mit Kunststoff- Aufschlagzungen versehen. Hierdurch ist das Instrument extrem pflegeleicht, ich habe in den eineinhalb Jahren, die ich dieses Instrument besitze, noch nie meine Rohrblätter erneuern müssen - die schlimmsten Probleme habe ich stets nach der Pflege, sprich "Ölen". Aufgrund der ziemlich engen Bohrungen verändert sich die Tonhöhe des Instruments bei diesem Eingriff stark.

Renaissance-Schäferpfeifen in hoher c-Stimmung (Spielpfeife mit Doppelrohrblatt) werden u.a. gebaut von: Michael Hofmann, Bodo Schulz


Magdeburger und andere Schäferpfeifen

Die links abgebildete sonderliche Art von Sackpfeife hat Michael Praetorius im Erzstift Magdeburg gesehen: mit zwei Doppelrohrblatt- Melodiepfeifen in gemeinsamer Tülle mit Stimmung g-d' und d'-a', sowie zwei Brummern ebenfalls in gemeinsamer Tülle. Der kleinere Bordun ist auf g gestimmt und hat ungefähr die Länge der größeren Spielpfeife, daher muß er mit Doppelrohrblatt bestückt gewesen sein. Der tiefe Brummer, vermutlich ebenfalls mit einem Doppelrohrblatt bestückt, hat etwa die 1,5-fache Länge des kürzeren, daher wird er wohl in Quinte auf c gestimmt gewesen sein:

"Im Erzstifft Magdeburg hab ich eine sonderliche Art von Sackpfeiffen gesehen / welche etwas grösser / als die Schäfferpfeiffen / und sind eine Tertien tieffer seyn / haben eben auch zwey Stimmer / unten aber zwey Röhren / eine zur linken / die ander also / daß man mit der lincken Hand das g a'h' c' d' / mit der rechten aber d' e' f' g' a' haben / und also ein Duum oder Bicinium gar artig zuwege bringen kan. Dessen Abriß Sciagr. Col. v. zu finden."

Leider habe ich keinerlei Fotografien oder Zeichnungen von historischen Rekonstruktionen dieses interessanten Instruments. Es ist mir nur vom Sackpfeifenmacher Bodo Schulz bekannt, daß er die Magdeburger Schäferpfeife herstellt.

Weitere absonderliche Schäferpfeifen sind in der Literatur zahlreich beschrieben oder auf zeitgenössischen Bildern dargestellt, so z.B. die rechts abgebildete Schäferpfeife mit 3 ungewöhnlich angeordneten Bordunen auf dem Titelblatt der Mecklenburgischen Schäferordnung von 1578.

Es sind mir keine Sackpfeifenmacher bekannt, die Schäferpfeifen mit mehr als zwei Bordunen herstellen.

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Last changes: 02.11.98
Thorsten.Stoye@desy.de